Kompetenz allein reicht nicht

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In ihrer Eröffnungsrede forderte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende die Vertiefung und Erweiterung des EU-Binnenmarkts. Foto: Christian Himmighoffen

Flexible Finanzierungen und Kooperationen können das Auslandsgeschäft erleichtern/ Außenwirtschaftskonferenz Osteuropa und Zentralasien des Ost-Ausschusses und der AKA-Bank

Wie können deutsche Unternehmen ihre Exporte und Investitionen in Osteuropa und Zentralasien erfolgreich finanzieren und absichern – insbesondere angesichts geopolitischer Unsicherheiten und einer immer stärkeren internationalen Konkurrenz? Diese Frage stand im Zentrum der Außenwirtschaftskonferenz Osteuropa und Zentralasien, die der Ost-Ausschuss gemeinsam mit der AKA Bank am 15. Mai im Zentrum der Finanzmetropole Frankfurt am Main veranstaltete.

AKA-Geschäftsführer Marck Wengrzik wies auf die wachsende Bedeutung türkischer Unternehmen in der Region hin. Das herausfordernde Umfeld auf deren Heimatmarkt erleichtere ihnen den Schritt in anspruchsvolle Märkte. „Wir sollten darüber nachdenken, wie wir gemeinsam mit türkischen Unternehmen Kompetenzen bündeln können”, so der AKA-Chef. Besonders die kaspische Region verdiene mehr Aufmerksamkeit.

Cathrina Claas-Mühlhäuser: „Europa sollte sich nicht unnötig klein machen.“

In ihrer Eröffnungsrede forderte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende Cathrina Claas-Mühlhäuser vor dem Hintergrund der geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen für Deutschland und Europa dazu auf, die Vertiefung und Erweiterung des EU-Binnenmarkts Richtung Osten voranzutreiben, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. „Europa sollte sich nicht unnötig klein machen“, sagte sie und fügte hinzu: „Je größer der gemeinsame Markt ist, desto stärker ist Europa!“ Laut IWF sind Schranken auf dem europäischen Binnenmarkt im Durchschnitt für 44 Prozent der Handelskosten für Industriegüter verantwortlich.

Claas-Mühlhäuser erinnerte an den Erfolg der EU-Erweiterungen seit 2004, an den man anknüpfen sollte. Sonst laufe man Gefahr, die Beitrittskandidaten zu verlieren. „Die Länder des Westlichen Balkans wurden beim Thema EU-Beitritt zum Teil drei- bis fünfmal übergangen“, sagte Claas-Mühlhäuser. „Nordmazedonien hat sogar seinen Namen geändert – und wartet weiter.“ Cathrina Claas-Mühlhäuser. Auch die Ukraine spiele eine zentrale Rolle – sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Der Ost-Ausschuss unterstützt aktiv den Wiederaufbau und die Unternehmenspräsenz vor Ort.

Insgesamt stellen Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien für die deutsche Wirtschaft mit einem Handelsvolumen von über einer halben Billion Euro wichtige Wachstumsmärkte dar. Für Investitionen in der Region seien Finanzierungsfragen entscheidend. Der Ost-Ausschuss hat in Reaktion darauf einen Expertenpool Finanzen gegründet, um den Unternehmen ganz konkret zu helfen. Die Vorsitzende des Ost-Ausschusses betonte, dass Deutschland und Europa hierbei gegenüber anderen Akteuren wie China, Russland oder den Golfstaaten aufholen müssten.

Wachsende Präsenz internationaler Wettbewerber

Anschließend diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie und Finanzwirtschaft konkrete Herausforderungen und Lösungsansätze für die Finanzierung und Absicherung von Geschäften in der Region. In der ersten Diskussionsrunde, die von Nadja Marschhausen, Chief Market Officer bei der AKA Bank, geleitet wurde, standen die Themen Energie, Logistik und Verkehr im Fokus. Im zweiten Panel, das von Jens Böhlmann, Direktor Grüne Transformation und Mittelstand im Ost-Ausschuss, moderiert wurde, ging es um den Schutz kritischer Infrastruktur und digitaler Assets. Das Thema Cybersicherheit gewinnt auch bei Hermes und den Investitionsgarantien des Bundes an Bedeutung. Unter anderem wurde der Umgang mit chinesischen Komponenten in sensiblen Projekten angesprochen.

Die wachsende Präsenz internationaler Wettbewerber – insbesondere aus der Türkei, China und dem Nahen Osten – war ein durchgängiger roter Faden in den Diskussionsrunden und stellt deutsche Unternehmen zunehmend vor Herausforderungen. Preisvorteile, flexible Finanzierungsinstrumente und gute Netzwerke verschaffen diesen Akteuren oft den entscheidenden Vorsprung bei Ausschreibungen.

Absicherung auch in EU gefragt

In Mittel- und Osteuropa sowie in Zentralasien spielt die staatliche Absicherung von Investitionen eine wichtige Rolle. So hat der Bund im Jahr 2024 Investitionsgarantien im Wert von 1,5 Milliarden Euro vergeben. Dabei lag die Ukraine bei der Anzahl der Projekte vorne. Die Absicherung von Kriegsrisiken in der Ukraine zu Standardkonditionen sei dabei eine Ausnahme und Besonderheit, betonte Herwig Maaßen, Senior Manager bei PwC. Auffällig sei jedoch, dass es inzwischen auch eine Nachfrage nach der Absicherung von Investitionen in die USA oder Mittel- und Südosteuropa gebe. Dazu gehören Anfragen für das Baltikum oder Bulgarien – eine Reaktion auf das wahrgenommene Kriegsrisiko im Osten.

Deutlich wurde aber auch, dass attraktive Finanzierungsmöglichkeiten in der Region im schärfer werdenden internationalen Wettbewerb mit türkischen, arabischen oder chinesischen Anbietern zwar notwendig, aber nicht hinreichend sind. So reicht der Finanzierungsvorteil durch Hermes-Deckungen für Exporte beispielsweise nicht mehr aus, wenn die Preisvorteile der Konkurrenz bei Ausschreibungen zu groß sind. Michael Schwarz von der Commerzbank AG schilderte konkrete Erfahrungen aus Aserbaidschan: „Die Türken sind überall unterwegs, insbesondere in großen Infrastrukturprojekten.“

Schneller, risikobereiter und besser abgestimmt handeln

Gleichzeitig bieten sich der deutschen Wirtschaft große Chancen in der Region, insbesondere im Ausbau kritischer Infrastruktur, im Energiesektor sowie bei der Modernisierung industrieller Anlagen. Voraussetzung ist jedoch, dass deutsche Unternehmen schneller, risikobereiter und besser abgestimmt handeln. Christoph Beeck, Vorstand der ProCredit Bank AG und Sprecher des Arbeitskreises Südosteuropa im Ost-Ausschuss, sagte: „Die überalterte Infrastruktur und die fossile Energiedominanz in vielen Ländern bieten Chancen – gerade für deutsche Technologie, etwa im Bereich erneuerbare Energien.“

Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und Banken berichteten auch von aktuellen Projekten in Usbekistan und Kasachstan, beispielsweise in den Bereichen Bergbau und Automobilindustrie. „Kompetenz traut man uns zu“, sagte Stefanie Meyer-Sydow, Director Sales Türkiye, Central Asia, Caucasus der Jebsen & Jessen Industrial Solutions GmbH. Es sei fast rührend zu hören, wie gerne die Abnehmer mit deutschen Maschinen arbeiteten. „Kompetenz ist gut, aber es ist ein brutaler Wettbewerb“, so Meyer-Sydow.

Konkrete Wünsche an Politik und Förderinstitutionen

Zu den Wünschen der Diskussionsteilnehmer gehören flexiblere Deckungskriterien, eine differenziertere Betrachtung von Projekten unter Umweltaspekten – etwa im Bergbau – und eine bessere Koordinierung der Außenwirtschaftsförderung. Dazu gehört auch die stärkere Betonung wirtschaftlicher Interessen, etwa in der Entwicklungspolitik. So müsse die Einbindung deutscher Akteure vor Ort – etwa der Botschaften oder der GIZ – in Projektanbahnungen früher erfolgen. „Wir kennen die Länder – davon können unsere Kunden profitieren“, sagte Frank Mohler, Managing Director Corporate & International Banking bei der ODDO BHF SE. „Aber wir brauchen flexiblere Kriterien, etwa weg vom starren Local-Content-Prinzip und zugunsten des wirtschaftlichen Interesses.“ So sollte nicht nur der Anteil deutscher Leistungen, sondern auch der gesamtwirtschaftliche Nutzen für Deutschland der Maßstab bei Absicherungen sein. „Deutschland vergibt als größter Geber viele Chancen – gerade in der Ukraine“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Das Bundesentwicklungsministerium sei hier zu zurückhaltend.

Gesamtlösungen überzeugen

Die Konferenz hat deutlich gezeigt: Ohne finanzielle Wettbewerbsfähigkeit und mehr Risikobereitschaft von Finanzierungsinstitutionen wird es schwierig, den Zugang zu den Zukunftsmärkten Osteuropas und Zentralasiens langfristig zu sichern. Politische Unterstützung, flexible Absicherungsinstrumente und ein gemeinsames Auftreten deutscher Akteure vor Ort sind zentrale Voraussetzungen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Wie ein Teilnehmer es formulierte: „Es ist nicht nur der Preis – der Kunde kann durch die bessere Gesamtlösung überzeugt werden.“ Dafür müssen alle außenwirtschaftlichen Akteure eng zusammenarbeiten.

Christian Himmighoffen
Leiter Presse und Kommunikation


Der Ost-Ausschuss dankt der AKA Bank für die Kooperation sowie der Raiffeisenbank International, der ODDO BHF und Finance in Motion für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung.

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